Via Twitter bin ich auf die Hitparade der digitalen Ignoranz gestossen:
Die Top 10 wie Sie die #Digitalisierung erfolgreich meistern (PS: es ist gar nicht schwer) via @FrankWidmayer Danke! pic.twitter.com/SdeoONOOup
— Tobias Frydman (@TobiasFrydman) 7. April 2016
Ich habe den Beitrag auf die Schule angepasst: 10 Tipps, wie Schulleiter und Lehrpersonen um die Digitalisierung herumkommen.
- Bewahren Sie Ruhe. Digitalisierung ist nur einer dieser Hypes, die von Medien und sogenannten Gurus aufgeblasen werden. Nächstes Jahr wird eine andere Sau durch das Dorf getrieben.
- Haben Sie keine Ahnung von ICT und seien Sie stolz darauf. Schliesslich müssen Sie nicht alles mitmachen, was die Schüler gerade cool finden. Bei der Arbeit und privat finden Sie sich auch ohne das Digitalzeugs gut zurecht.
- Erinnern Sie Eltern, Lehrpersonen und Behörden an ihre eigene Schulzeit. Damals gab es keine Computer im Schulzimmer. Trotzdem (oder gerade deswegen?) ist aus ihnen etwas geworden!
- Beschaffen Sie Geld für ein Notebook- oder Tablet-Projekt, jedem Schüler sein persönliches Gerät! Elektronische Wandtafeln! Denn Ihre Schule ist innovativ. Sie wollen mal schauen, „wie die Geräte den Unterricht verändern“. Verschwenden Sie bloss kein Geld für Weiterbildung und Support. Nach einiger Zeit bestätigt sich dann, was Sie schon immer gewusst haben: „Die Lehrpersonen tun nichts mit den Geräten, am Unterricht hat sich nichts geändert! Da hat jemand mit Edding auf die elektronische Wandtafel geschrieben!“ Damit ist die Notebook/Tablet-Geschichte gestorben und Sie haben Ruhe.
- Verbieten Sie Smartphones! Glorifizieren Sie die gute alte Zeit, als die Menschen noch miteinander gesprochen und nicht dauernd auf ihr Smartphone geschaut haben. Die Kids sind zuhause ständig am chatten, posten und gamen. Ihre Schule soll eine Oase frei von digitaler Hektik und Cybermobbing sein. Behaupten Sie, Sie hätten „den Spitzer“ gelesen. Was neben dem Unterricht läuft, ist nicht Ihr Problem. Also ignorieren Sie, wenn Hausaufgaben per WhatsApp abgeschrieben werden (die merken dann schon: An der Prüfung müssen sie den Stoff beherrschen. Eigenverantwortung und Selbständigkeit sind wichtig).
- Delegieren Sie das Thema an den Informatik-Typen/Nerd an Ihrer Schule oder holen Sie externe Experten (Medienpädagogen, -bildner, -heinis) für einige Lektionen. Gehen Sie bloss nicht davon aus, dass die Digitalisierung alle Fächer betrifft. Oder gar die seit über 150 Jahren unveränderten Strukturen der Schule in Frage stellen könnte.
- Nutzen Sie die im Team vorhandenen Ressourcen. Gehen Sie davon aus, dass der Informatik-Typ/Nerd an ihrer Schule technische Probleme mit Begeisterung löst. Von unbezahlten Überstunden kann keine Rede sein, schliesslich ist das für den so etwas wie ein Hobby. Und wenn das Internet mal 3 Wochen nicht läuft, ist das nicht tragisch. Denn die Wandtafel ist und bleibt eine zu 100 % zuverlässige Technologie.
- Tun Sie Roboter, künstliche Intelligenz oder Machine-Learning als utopische Fiktion ab. Schon vor über 20 Jahren wurde „das Ende der Kreidezeit“ ausgerufen. Jedes neue Produkt aus dem Silicon Valley verspricht eine „Revolution des Lernens“. Die ist bis heute nicht eingetreten. Warum sollte das in Zukunft anders sein?
- Springen Sie auf den „Roboter nehmen uns die Jobs weg!“-Zug auf. Vor allem, wenn Sparmassnahmen drohen. Wer in Zukunft einen Job will, braucht gute Bildung. Bildung ist die wichtigste Ressource!
- Lehnen Sie sich zurück, die Schule kann ihre „Kunden“ nicht verlieren. Kodak gibt es schon lange nicht mehr, Taxifahrer wettern über Uber, niemand bezahlt mehr für Musik. Doch die Schule ist kein Unternehmen, das plötzlich ohne Kunden dasteht. Dank Schulpflicht müssen Kinder in die Schule gehen und dort „kaufen“, was immer Sie anbieten. Das tun sie zwar immer widerwilliger und immer mehr Kinder „passen“ nicht in die Schule. Schwingen sie halt wenn nötig die Peitsche (Strafaufgaben, Nachsitzen, Elternbriefe, Elterngespräche, Verweise…). Bei Ihnen hat das auch gewirkt.
Du willst dich nicht an die 10 Tipps halten? Startpunkte könnten sein:
- Kurz und knapp: Will Richardson beschreibt 8 Merkmale von modernen Führungspersonen in der Bildung und „9 Elephants in the (Class)Room That Should Unsettle Us“. Offensichtliche Probleme über die wir jedoch nicht sprechen.
- Kurze Videos, auf den Punkt gebracht: Die Talks von Ken Robinson sind bereits Klassiker. Changing Education Paradigms und Do Schools Kill Creativity?
- Ausführlich: Das Buch Mehr als 0 und 1: Schule in einer digitalisierten Welt von Beat Döbeli Honegger.