Die Weiterbildungspflicht von Lehrpersonen wir in Kurshalbtagen gemessen. Im Kanton Uri müssen Lehrpersonen pro Schuljahr 10 Halbtage besuchen (für viele ist das kein müssen, sondern ein dürfen). Doch Lernen und Weiterbildung sind mehr als „Kurse besuchen“, das sagt die 70:20:10-Formel: Die meisten Lernprozesse finden im Austausch mit Kollegen und Vorgesetzten sowie im Arbeitsprozess statt. Jochen Robes hat dazu ein Paper verfasst und formuliert das aus:
- 70 Prozent aller Lernaktivitäten finden im Arbeitsprozess, „on the job“, durch tägliche Praxis und Erfahrung statt („experience“).
- 20 Prozent im Austausch mit anderen, mit Führungskräften, Teammitgliedern und Kollegen („exposure“) und
- 10 Prozent schliesslich durch Weiterbildung und Training („education“).
Und er fragt:
„Wenn nur 10 Prozent aller Lernprozesse in Schulungsräumen und in klassischen Trainingsmaßnahmen stattfinden, ist dann der Handlungsbedarf für Corporate Learning nicht offensichtlich? Und macht es Sinn, dass sich Bildungsinvestitionen fast ausschließlich auf diese 10 Prozent konzentrieren? Aber so einfach ist die Antwort dann doch wieder nicht. Denn: Wenn 90 aller Lernprozesse heute schon außerhalb von Kursen und Seminaren stattfinden, besteht dann überhaupt Handlungsbedarf?“
Natürlich gibt er auch Antworten. Er spricht dabei die Rolle der Vernetzung, Social Learning, Microlearning, Performance Support, selbstorganisiertes Lernen und Lernen in Communities an.
Jochen Robes bezieht sich auf das Lernen in Betrieben („Corporate Learning“) doch viele Überlegungen lassen sich wohl auf das Lernen von Lehrpersonen übertragen. Und in Schulen gibt es bereits Elemente, die auf die „90 Prozent“ abzielen, zum Beispiel Unterrichtsteams als professionelle Lerngemeinschaften. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass „Weiterbildung = Kurse besuchen“ dominiert.
Was hat das mit meiner Arbeit zu tun?
Ich beschäftige mich mit der Einführung des Moduls Medien und Informatik (Lehrplan 21). Sofort war klar: Da braucht es Weiterbildung. Und die nächsten Fragen waren: Wie viele Halbtage braucht es? Für wie viele Halbtage haben wir „Platz“ (schliesslich ist Medien und Informatik nicht das einzige Neue am Lehrplan 21)? Und wie viele Halbtage liegen finanziell drin (denn auch die Kursanbieter offerieren mit Halbtagen)? Wer muss überhaupt welche Weiterbildung besuchen, wer viele Halbtage? Ich bin also sofort bei Halbtagen angelangt, ohne zuerst zu fragen: Braucht es denn überhaupt Weiterbildungs-Halbtage? Wie können wir Lehrpersonen befähigen Medien und Informatik zu unterrichten? Wie können wir die „anderen 90 Prozent“ unterstützen? Das Paper von Jochen Robes liefert einige Ansatzpunkte.
Die 70:20:10-Formel richtet den Blick auf das informelle Lernen und das Lernen im Arbeitsprozess. Dazu passt perfekt das Buch Informal Learning von Jay Cross. Es hat mir vor ca. fünf Jahren einige Aha-Erlebnisse beschert. Es ist mir leider kaum gelungen, die Erkenntnisse in meinen Tätigkeiten anzuwenden. Das Poster zum Buch ist eine tolle Visualisierung: