Via Twitter bin ich auf den Blog-Beitrag Fragst du schon oder weisst du noch? Alles geht anders von Martin Gaedt gestossen (mit einer hübschen „Karte“, die den Weg vom Altland über Absurdistand ins Neuland zeigt). Er schlägt vor, beim Warten (an der Ampel, Supermarktkasse…) 44 Fragen zu stellen. Denn Fragenfitness stärke die Ideenfitness. Wer fragt, stellt in Frage: „Es gibt keine guten oder schlechten Fragen. Jede Frage kann etwas in Ihnen anstoßen, Sie anregen oder aufregen. Fragen können sinnlos erscheinen, abstoßen oder zum Nachdenken anregen. Entweder Sie bleiben gleichgültig oder Sie werden inspiriert. Ohne Fragen keine Veränderung. Sind Sie für Stillstand, stellen Sie einfach keine Fragen. […] Kreativität und Innovation, alles beginnt mit außergewöhnlichen, absurden, unsinnigen Fragen. “ Wenn man viele Fragen stellt, dann ist auch mal eine super Frage dabei.
Hier sind meine ersten 44 Fragen (warum gerade 44? Weiss ich auch nicht):
- Ist es für Lehrer langweilig, ständig Fragen zu stellen, auf die sie die Antwort schon wissen?
- Was wäre, wenn ich einfach keine E-Mails mehr beantworten würde?
- Was für Prüfungsfragen würde ich stellen, wenn die Schüler Google benutzen dürften?
- Was wäre, wenn Lehrer eine „20-percent-time“ (wie bei Google) hätten?
- Warum beschweren sich Lehrer über eine „sinnlose“ halbtägige Weiterbildung und ärgern sich, wenn Schüler „das bringt mir nichts“ sagen?
- Was ist das „Kerngeschäft“ der Schule?
- Was ist das überhaupt, Lernen? Was würden Schüler/Eltern/Lehrpersonen antworten?
- Was kann man nicht lernen?
- Geht es in der Schule tatsächlich ums Lernen? Wenn nein, um was geht es dann?
- Warum haben Schüler nach neun Schuljahren (+Kindergarten) Mühe, zwei wichtige Fragen zu beantworten: Was kann ich gut? Was mache ich gerne?
- Warum können sich hyperaktive Kids beim Gamen problemlos konzentrieren?
- Was wäre, wenn man den Fremdsprachenunterricht einfach streichen würden und stattdessen alle „Gutscheine“ für Fremdsprachen-Aufenthalte erhalten würden?
- Werde ich noch eine Schule ohne Noten erleben?
- Wie könnte man Arbeitszeit und Lohn von Lehrpersonen berechnen, wenn nicht an der Lektionenzahl?
- Warum werden mehr Frauen als Männer Lehrer?
- Warum reden alle von flexiblem Arbeiten (z.B. Home Office, third places) und bei Lehrern wird immer mehr Arbeitszeit eingeschränkt?
- Warum haben Kinder am Ende der Schulzeit weniger Fragen als im Kindergarten?
- Gewöhnt man Schülern das Fragen ab, damit sie die Schule nicht in Frage stellen?
- Wenn ich ein Jahr lang in der Schule keinen Computer benützen würde, würde das irgend jemandem auffallen? Würde sich jemand beschweren?
- Warum ist vieles in der Schule noch gleich wie zu meiner eigenen Schulzeit?
- Was bereitet man Kinder auf eine Welt vor, die sich immer schneller verändert?
- Schafft die Schule Chancengleichheit oder sorgt sie dafür, dass nicht alle die gleichen Chancen haben?
- Sind in einem Schulzimmer 20 Schüler oder 20 Lehrer?
- Was wäre, wenn ältere Schüler während der Hälfte ihrer Schulzeit jüngere Schüler unterrichten müssten?
- …wenn als Abschluss der „Schulzeit“ alle ein Jahr als Lehrer arbeiten müssten?
- …und Lehrer während der Hälfte ihrer „Arbeitszeit“ lernen statt lehren müssten?
- Malcolm Gladwell sagt, dass man ca. 10’000 Stunden Übung braucht, um in einem Bereich zum Meister zu werden. Kinder gehen über 10’000 Stunden in die Schule, worin sind sie danach Meister?
- Werde ich mich nach dem grottigen Batman v Superman jemals wieder auf einen Batman-Film freuen?
- Ist Yoda aus Star Wars ein guter Lehrer?
- …wenn ja, was macht ihn zu einem guten Lehrer?
- Wenn Schule freiwillig wäre, wie viele würden noch kommen?
- Wie viele Lehrer würden ihren Job aufgeben, wenn man ihnen eine Frühpensionierung anbieten würde?
- Was wäre, wenn angehende Lehrer von ihrem ersten Ausbildungstag an 50 % unterrichten würden?
- Führt „mehr Mathematik, Technik und Naturwissenschaften“ zu mehr Personen, die eine entsprechende Ausbildung machen? oder zu mehr Personen, denen die Freude daran vergeht?
- Wie alt muss man eigentlich sein, um im Unterricht selbst entscheiden zu dürfen, wann man auf die Toilette geht?
- Wie viele der „vergessenen“ Hausaufgaben werden bewusst einfach nicht gemacht?
- Würden Leistungen schlechter, wenn man Hausaufgaben einfach abschaffen würde?
- Was bedeutet „erfolgreich sein“ in der Schule?
- Was bedeutet „erfolgreich sein“ im Leben?
- Die Bedeutung von Emotionen kann beim Lernen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Welche Emotionen dominieren in der Schule?
- Warum höre ich seit ich Lehrer bin immer wieder vom „Lehrermangel“, höre aber nie, dass eine Klasse nach den Sommerferien ohne Lehrer ist?
- Was wäre, wenn wir einfach ein Jahr lang keine Sitzungen machen würden?
- Warum nicht ich?
- Warum nicht jetzt?
Frau Kreis says
Viele dieser Fragen beschäftigen mich auch, insbesondere die, wie ich es schaffe, als Lehrerin explizit Lernende zu bleiben, wenn mich das Alltagsgeschäft aus Sitzungen und Korrekturen auffrisst. Ich meine: ich lerne im Unterricht und durch Unterricht, aber das reicht nicht. Und Reflexion über Unterricht mit Kollegen – es gibt so wenige, die das überhaupt wollen. Möglicherweise liegt es auch daran, dass ich eher schräg von der Seite hinein in die Schule gehüpft bin, dass mir vieles noch so hinterfragungswürdig erscheint. U.a. auch die Toilettenregel: Die Erledigung menschlicher Bedürfnisse gehört für mich zu den Grundrechten eines jeden Menschen.
Was die Fragen betrifft: Die Fragen, auf die ich die Antworten bereits weiß, sind eher selten in meinem Unterricht – sie dienen eher zur Herstellung einer gemeinsamen Verständnisbasis. Ich gehe vor allem in die Schule, um zu erfahren, welche Fragen Schüler an die Vergangenheit stellen, welches Narrrativ sie begründet aus Quellenmaterial erstellen, wie sie das Handeln von Menschen in der Vergangenheit beurteilen, welche Deutungshypothesen sie zu einem Gedicht entwickeln, wie triftig ihre Begründung ist usw. Und kontroverse Diskussionen – die machen den Unterricht spannend.
Anselm says
Zum Thema Toilettengang… https://wortinfarkt.com/2016/07/09/sorgenkinder/
PS: Bis heute Abend!